Interview mit Dr. Cesar Vivar


Anlässlich seiner Hospitationsreise nach Deutschland führte Frau Judy de Langer aus Berlin ein Interview mit unserem Projekt-Partner Dr. dent. Cesar Vivar Miranda aus Huaraz-Ancash / Peru.


Frau Langer ist gebürtige Peruanerin und besuchte zusammen mit Cesar die Schule in Caraz. Gemeinsam verbindet uns seit vielen Jahren eine Freundschaft. Diese Freundschaft ermöglichte viele gemeinsame Projekte in Ancash, der Region in der Cesar und Judy fest verwurzelt sind. Nur durch diese Kontakte war auch die Arbeit unseres MKG-Teams in Huaraz möglich. Im Rahmen der Zusammenarbeit mit Cesar Vivar und der Peruhilfe des DRK-Kreisverbandes Segeberg war er unser Gast vom 20.Juli bis
20. September 2014.

Cesar du warst zwei Monate lang in Deutschland. Welche Erlebnisse und Erfahrungen nimmst du mit nach Peru?

Es waren zwei unglaubliche, schöne Monate in meinem Leben, es ist alles wie in einem Traum, aus dem ich nicht aufwachen möchte. Ich habe unglaublich viel erlebt. Die Möglichkeit viele Städte kennen zu lernen, vor allem Berlin. Hier konnte ich die deutsche Geschichte sehr nah erleben und habe viele historische Orte und Denkmäler besucht.  Ich habe nicht nur Erfahrungen für mein Berufsleben gesammelt sondern auch Bereiche des Rettungsdienstes, der Logistik und viele Berufsbilder näher kennengelernt. Es war für viele bekannte Peru Helfer eine Überraschung, wenn ich ohne Anmeldung an ihrem Arbeitsplatz erschien. Die Hospitation in der Klinik für Plastische Chirurgie von Dr. Andreas Pöhl war sehr interessant für mich. Er ist spezialisiert auf Kopf- und Hals-Chirurgie, die Implantate spielen bei ihm eine sehr große Rolle. Die Technik, die er verwendet, wird mir in Peru bei der Behandlung meiner Patienten helfen.

Die Idee oder das Ziel dieser Einladung war vor allem, dass du viele Erfahrungen  sammelst und ein Austausch im professionellen Bereich. Welche Erfahrungen hast du gewonnen?

Der Alltag in Deutschland und seinen Menschen hat mich sehr beeindruckt. Sie sind alle gut organisiert, alles funktioniert, weil sie einen Arbeitsplan haben, der auch ausgeführt wird. Die Pünktlichkeit und die Arbeitshaltung spielt eine sehr große Rolle bei den Deutschen. Die Ordnung und die Verantwortung der Mitarbeiter in den Praxen sind beeindruckend.

Denkst du angesichts der Erfahrungen, die du gewonnen hast, dass es möglich ist, dein Leben zu verändern oder die Erfahrungen auf deine Arbeit zu übertragen?

Die Gewohnheiten, die Mentalität oder die Eigenheiten unseres Landes zu ändern, werden ziemlich schwer sein. Ich denke, es wird noch einige Zeit dauern, bis wir Änderungen vornehmen. Es gibt zwar ein Anzeichen für eine wachsende Wirtschaft,  aber eine Veränderung ist nicht in Sicht. Bildung ist das Zauberwort und vielen von uns Peruanern fehlt es an ausreichender Bildung und Ausbildung. In Deutschland werden Gesetze und Verordnungen von den Menschen eingehalten und respektiert. In Peru haben wir eine latente Korruption, die viele gut gemeinte Gesetze unterläuft. In Huaraz, in der Stadt, in der ich lebe, kann ich die neuen Erfahrungen, vor allem in meinem Beruf als Zahnarzt positiv aufnehmen. Ich denke, ich kann einige Änderungen auf den Weg bringen. Als Dozent der Hochschule kann ich meine Studenten neu motivieren und ihnen eine andere Denkweise aufzeigen. An dieser Stelle möchte ich mich bei allen bedanken,
die es mir ermöglicht haben, dass ich in ihren Praxen neue Einblicke in die technologischen und fachlichen Fertigkeiten der deutschen Kollegen gewinnen konnte. Ich habe viele Techniken bei Dr. Pöhl gelernt, die Qualität und die tolle Leistung in
seiner täglichen Arbeit habe ich beobachtet und ich bin sprachlos. Die Behandlungen, die er mit seinem Team hier durchführt, werde ich bestimmt eines Tages auch verwenden können. Sicher, es wird etwas dauern, doch ich werde mich weiterbilden
und möchte die Organisation in meiner Zahnarzt- Praxis komplett ändern.

Als du nach Deutschland kamst, war es dein Wunsch durch Europa zu reisen. Ist es Dir gelungen?

Das stimmt. Meine Idee war es, in den ersten vier Wochen, den Berufsaustausch mit den Kollegen zu absolvieren und viel zu lernen. Die restliche Zeit wollte ich andere Länder in Europa besuchen. Ich habe von Venedig, Rom, Paris und Madrid geträumt. Nach Paris bin ich gekommen.Für die anderen Reisen hat die Zeit nicht gereicht.
Die Sprache, die Kosten und die Entfernung sind ein Problem. Außerdem war es wichtiger für mich, mich weiterzubilden. Dr. Pöhl meinte, ich solle die Zeit nutzen, um zu  lernen und mich fortzubilden. Das war absolut richtig. Reich an beruflichen Erfahrungen, bin ich reif für eine berufliche Veränderung. Ich bin hungrig mehr zu lernen. Das ist der Anfang für mich, denn ich werde in Lima Fortbildungen und Weiterbildungen besuchen, damit ich meinen Patienten in Huaraz besser helfen kann. Jetzt, nach deinem Besuch in Deutschland, wirst du die Hilfe der deutschen Ärzte und Schwestern in einem anderen Licht sehen. Der Lebensstil hier ist anders und die gute Organisation er möglicht eine gute Arbeit.

Diese Erkenntnis wird bei zukünftigen Einsätzen sicher hilfreich sein.
Als du uns sagtest, dass wir die deutschen Freunde gut pflegen sollen, haben wir immer verstanden, dass wir uns gut um Sie kümmern müssen, wenn sie nach Huaraz kommen. Ich denke, das haben wir erreicht. Wir die Ancashinos und Peruaner sind sehr gastfreundlich, und legen sehr viel Wert auf Freundschaft. Wir möchten, dass unsere Freunde sich bei uns wohl fühlen. Die Kultur, die Denkweise in Peru ist eine andere, es läuft alles langsamer. Ich werde versuchen, etwas von dem Organisationstalent der deutschen Freiwilligen in die Vorbereitungen einzubringen. Ich möchte, dass alles nach Plan läuft und auch die Pünktlichkeit eine sehr große Rolle spielt.

Mit dir sind es zwei Zahnärzte, die nach Deutschland eingeladen wurden, um einen besseren Austausch von Wissen zu ermöglichen. Dra. Tania Castillo aus Huaraz war vor dir da. Gibt es zukünftig eine zielorientierte Arbeit in der Vorbereitung?

Ja, das ist wahr, Tania war auch hier in Deutschland, sie muss wundervolle Erfahrungen persönlichund beruflich gemacht haben. Wir werden in unserer künftigen Zusammenarbeit natürlich aus dem nunmehr gemeinsamen deutschen Erfahrungsschatz schöpfen können. Das kann für uns und unsere Patienten nur gut sein.

Im Team von Dr. Pöhl ist von Anfang an die Zahnärztin Anke Weitermann dabei. Trotz Familie mit zwei Kindern und Mann ist sie vier Wochen im Einsatz dabei. Ihre Tochter ist dann sehr traurig, wenn sie die Mutti solange Zeit nicht sieht. Wie bewertest du den persönlichen Einsatz der MKG-Mediziner?

Es ist erstaunlich, der Geist und die Kraft, die das Team in dieses Projekt investiert. Wir bewundern ihr großes  Engagement für die Bedürftigen. Das Ärzteteam setzt sich sehr für die Patienten mit den angeborenen Lippen-Kiefer-Gaumen- Spalten ein. Der Slogan unserer Kampagne ist: „Wir geben den Kindern das Lächeln zurück“, und dieses Motto ist perfekt. Die Kinder werden in die Gesellschaft integriert und können am Leben in der Gemeinschaft
teilhaben. Ich bin dankbar das großartige Team zu kennen und sie hier in Deutschland live in ihrem Alltag zu erleben. Ich bewundere die Einstellung der Ehepartner, in der Abwesenheit der Mütter oder Väter die Kinder zu versorgen.

Du hast die Möglichkeit gehabt, in Deutschland mehrere Städte zu besuchen. Welche Eindrücke haben sie hinterlassen?

Deutschland ist ein tolles Land, Peru ist weit entfernt von dem Standard in allen Lebensbereichen, z. B der Technologie, die mich sehr verblüfft. Dies empfindet man nicht nur in den Städten sondern auch in den Dörfern und in den Kleinstädten. Berlin
ist eine sehr moderne Metropole, sehr offen und von seiner Geschichte her besonders interessant. Im Bereich der Zahnheilkunde habe ich Praxisräume mit High-Tech-Ausstattung gesehen. Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass dieser Service und Standard in unserem Land einmal für die Patienten und Zahnärzte Wirklichkeit wird.

Welchen Eindruck hast du von den Menschen in Deutschland. Man hört manchmal von dem fremdenfeindlichen Deutschland, in dem Ausländer ignoriert werden. Du hast bei verschiedenen Familien gelebt und den
Alltag dort kennengelernt. Hast du dich abgelehnt gefühlt?

Wir haben oft große Vorurteile, die ich aber nicht bestätigen kann. Als ich hier ankam, habe ich Städte besucht und viele nette Menschen getroffen. Ich merkte sofort, wie warmherzig sie zu mir waren. Sie sind menschlich und sie haben immer ein Lächeln für dich bereit. Deutschland hat viele schwere Jahre während der Weltkriege erlebt, diese Jahre haben eine traurige Geschichte hinterlassen. Aber die Deutschen verstecken ihre Geschichte nicht. Sie ist immer präsent, damit sie nie wieder passiert und sich nicht wiederholt. Ich vergleiche die Zeit mit dem Terrorismus in Peru. In den 80er Jahren, in denen wir einen brutalen
Bürgerkrieg erlebt haben. Es wurden sinnlos Menschen getötet und viel Leid in die Familien getragen. Es ist erst wenige Jahre her, aber unsere Jugend hat es vergessen oder sie wissen gar nicht, was in dieser Zeit passiert ist. Die Deutschen sind sehr großzügig und ich habe mich wirklich wie zu Hause gefühlt. Ich habe gute Freunde, bei denen ich leben konnte. Ich bin in verschiedenen Häusern gewesen und habe eine Menge positive, schöne Dinge erlebt. Ich habe mich wie in meiner eigenen Familie gefühlt und bin sehr dankbar.

Trotz deines extrem gefüllten Zeitplans, hast du die Gelegenheit gehabt, Frankreich zu besuchen. Welche Erinnerungen nimmst du von Paris mit nach Peru?

Paris mit seinen weltberühmten Sehenswürdigkeiten, wie dem Arc de Triomphe, dem Eiffelturm und vielen historischen Denkmälern ist unvergesslich. Paris ist nicht mit Berlin zu vergleichen. Vieles wirkt unordentlich und doch hat diese Stadt ihre unvergesslichen Reize und Charme.

Du warst auch in Oslo / Norwegen, der Stadt der Wikinger und hast ganz andere Erlebnisse gehabt.

Es war eine sehr schöne Erfahrung, nicht weil Oslo die Hauptstadt von Norwegen ist, sondern weil ich eine kleine Kreuzfahrt erleben durfte. Es war wie ein Traum dort zu sein. Ich konnte Kreuzfahrten bisher nur auf Fotos in den Zeitschriften und in Filmen sehen, und jetzt durfte ich es wirklich erleben. Meine langjährigen Freunde Anke und Hartmut Götze hatten mich zu dieser Erlebnisreise eingeladen, und wir haben eine wunderschöne Reise erlebt.

Ich bin sicher, dass du dich bei dem ganzen Team bedanken möchtest. Es sind ganz besondere Menschen mit einem großen Herzen. Wir Peruaner wissen, dass ihre Herzen auch lachen und nicht nur die Gesichter. Ja, danke für diese Frage. Mein Dank geht an Werner Weiß, er ist der Wichtigste in dieser Kampagne. Er ist verliebt in unser Heimatland Peru, in das er im Jahr 1970 kam, um in Caraz den Erdbebenopfern zu helfen. Seitdem hat er nicht aufgehört an Caraz zu denken.

Vor 14 Jahren, liebe Judy konnte durch deine Kontakte und Vermittlung zur Peruhilfe das Projekt mit den jungen deutschen Zahnärzten auch in Huaraz begonnen werden. Die Peruhilfe schickte Hartmut Götze, Norbert Haase und Hugo Fernández und viele Freiwillige Helfer des DRK, um die Zahnpflege in den Bergdörfern zu verbessern. Daraus sind wunderbare Freundschaften entstanden. Im Jahr 2007 traf ich Dr. Andreas Pöhl in Cajamarca und wir beschlossen 2008, Operationskampagnen für Lippen-Kiefer- und Gaumenspalten in Huaraz zu starten. An dieser Stelle gilt mein besonderer Dank Dr. Annekatrin Pöhl und ihrem Mann Dr. Andreas Pöhl, er ist mein Lehrer und Mentor geworden. Zusammen mit Dr. Anke Weitermann sind sie wichtige Menschen für meine berufliche Entwicklung und ganz besondere Freunde. Hartmut und Anke Götze, die meine Einladung nach Deutschland vorbereiteten, möchte ich auch danken, denn ohne diese Einladung
hätte ich mir diesen Aufenthalt nie leisten können. Bei vielen Mitgliedern des OP-Teams durfte ich zu Gast sein und in ihren Praxen hospitieren. Danke sage ich Olivia, Luis, Michael, Heiko, Linda, Antje, Daniela und Klaus, Sven, Martin und Karla. Dank auch an Matthias trotz Sprachschwierigkeiten und an den Rotary-Club Malchin. Dir liebe Judy danke ich für das Interview und für deine lange Freundschaft, die mir den Kontakt zu all den Menschen und zu den vielen Hilfsprojekten in Huaraz ermöglichten.

Lieber Cesar, dir und den vielen ungenannten Helfern in Huaraz und in den Dörfern von Ancash einen herzlichen Dank für euer Engagement. Auch ihr habt Familie und tägliche Pflichten und ermöglicht den deutschen Ärzteteams ihre Arbeit. Ich freue mich bereits jetzt auf ein Wiedersehen in Peru oder in Berlin.