Team 2016

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Reisebericht 2016

12. Reise eines medizinischen Teams nach Cajamarca und Huaraz/ Peru

Für alle, welche uns unterstützen, sich für uns interessieren, unser Projekt nun schon seit vielen Jahren begleiten.

Wie 2014 in Peru verabredet und versprochen, haben wir uns Ende Mai für drei Wochen wieder auf den Weg gemacht.

Dass die Vorbereitungen in den Monaten davor einiges an Zeit und Kraft kosten, wissen wir und gehört dazu. Aber dieses Mal waren diese doch holpriger und beschwerlicher als sonst. In Peru war es der wochenlange unermüdliche Kampf von Christa Stark mit allen Behörden und Entscheidungsträgern, um Verträge mit dem Hospital Regional in Cajamarca, eine temporäre Berufsausübungsgenehmigung für jeden einzelnen von uns, Einfuhrerlaubnis für unsere Materialien und Geräte u.s.w. zu erlangen.

Was für uns hier in Deutschland neu war, wir wollten endlich mal ohne mulmiges Gefühl und mit allen geforderten Zollformalitäten, - papieren reisen. Also stürzten wir uns in dieses neue Abenteuer und sammelten so unsere Erfahrungen. Ich weiß nicht, wie oft unsere Listen hin und hergeschickt wurden bis alles abgesegnet war. Vorteilhaft war, so zeitig waren unsere Koffer noch nie gepackt, denn wir mussten damit rechnen, dass der Zoll vorab alles kontrollieren möchte. Insofern waren die letzten Tage vor der Abreise eigentlich recht entspannt.

Vor dem Abflug in Berlin wurde es dann aber doch wieder mulmig. Das Einchecken begann deutlich früher als die Zollstelle auf dem Flughafen öffnete, wo wir alles nochmal vorzeigen sollten. Das KLM Bodenpersonal sagte uns recht emotionslos, wir könnten es ja versuchen, aber mit den Sicherheitschecks wird es knapp. Diese Risiko konnten wir nicht eingehen, also ohne durch.

Die sonst immer sehr problematische und diskussionsaufwendige Einreise auf dem Flughafen in Lima verlief diesmal aber völlig reibungslos. Wir wurden schon erwartet. Eine Ärztin, vom peruanischen Zoll beauftragt, hat sich zwar alle Koffer aufmachen lassen und hat die Listen gecheckt, aber alles ging seinen behördlich geforderten Gang. Sogar ein Vertreter der Regionalregierung Cajamarca war anwesend, falls es Probleme geben sollte, die es aber nicht gab.

Raus aus dem Flughafen- geschafft- Hallo Peru, es kann weiter und losgehen.

Ich kenne dieses Gefühl nun schon sehr gut, diese Spannung, wenn wir uns unseren Einsatzorten nähern. Es ist sicher auch eine Vorfreude auf das Wiedersehen mit unseren peruanischen Mitstreitern und bekannten Patienten und Eltern, aber es ist auch ein enormer Druck zu wissen, dass mit einer großen Zahl oft sehr kleiner Patienten, mit den unterschiedlichsten gesundheitlichen Problemen, in kurzer Zeit richtige Entscheidungen zu treffen sind. Das Team, welches nur dort zusammenarbeitet, muss sich schnell zusammenraufen, sich jeder in seine Aufgabe finden.


Schon wenn man unsere Kofferberge betrachtet, grenzt es an ein Wunder, wie schnell alles seinen Platz findet.

Es ist in erster Linie Antjes und Ankes Verdienst, dass noch am späten Abend unserer Anreise, nach vielen Stunden Patienten ansehen und Elterngesprächen, ein OP- Plan für die nächsten Tage steht. Auch wenn wir wissen, dass wir mit neuen oder krankwerdenden Patienten immer wieder „umbasteln“ müssen, fallen wir zufrieden ins Bett.

Der erste OP- Tag kann kommen.

Für mich ist der Abend nach dem ersten OP- Tag ein fast ersehnter Zeitpunkt. Denn dann weiß ich, es läuft wieder. Wir haben uns im OP- Saal und auf der Kinderstation eingerichtet, der Kontakt zum Personal ist wieder da. Und ganz wichtig, wir haben uns in die Narkoseführung und OP- Techniken mit unseren oft sehr kleinen Patienten mit nicht selten sehr außergewöhnlichen Fehlbildungsbefunden reingefummelt.

Cajamarca

Ich glaube, Christa Stark war dieses Mal besonders froh, dass wir mit all unserem Gepäck endlich da waren. Die Zeit der Behördenkämpfe lag hinter ihr, nun konnte es endlich losgehen.

Wir konnten also doch im neuen Hospital Regional am Rande der Stadt unsere Kampagne durchführen. Mindestens ein OP- Saal und ausreichend Betten auf der Chirurgie und Pädiatrie standen uns zur Verfügung. Noch schnell eine offizielle Reunion (Treffen) mit allen beteiligten Entscheidungsträgern, in der wir uns auch ganz bewusst bedankten. Es ist für das Personal nicht einfach, in einem angespannten Krankenhausbetrieb auch uns noch unterzubringen.

Nicht immer merken wir, dass es bewusst ist, dass es doch peruanische Patienten sind, die wir operieren. Aber bei den Bemühungen um einen zweiten OP- Saal, den wir so dringend brauchten, bekamen wir bei der täglichen OP- Besprechung bemerkenswerte Unterstützung von einer jungen engagierten Kollegin aus der Anästhesie und von der leitenden OP- Schwester Digna. Sie boxten die Slots für uns durch mit der Begründung, dass diesen Kindern auf diese Weise sonst niemand helfen könne und dies sei doch schließlich vorrangiges Interesse aller. Sie verwiesen die betroffenen Chirurgen damit für eine Woche auf die hinteren/ späteren Plätze.
Dieser zweite Saal war so wichtig, da sich Oscar Julcamoro, Kinderchirurg und plastischer Chirurg aus Cajamarca, deutlich mehr einbringen wollte und konnte. Einige gemeinsame Kampagnen, eine von uns mitfinanzierte Weiterbildungsreise zu einem Spaltchirurgie-Kurs in Brasilien und einige selbstständig durchgeführte spaltchirurgische Eingriffe haben ihn vorangebracht.
Parallel in zwei Sälen arbeitend, waren wir viel effektiver. Nur so konnten wir die Vielzahl der geplanten Eingriffe auch durchführen. Nichts ist schlimmer, als Eltern zu erklären, dass wir ihr Kind nicht mehr operieren können, weil wir es einfach nicht mehr unterbringen können.
Ein weiterer plastischer Chirurg des Hospitals wurde uns als Koordinator zugeteilt. Ein Novum für uns. Er hat sich bereits Christa gegenüber im Vorhinein wenig begeistert gezeigt. Mit ihn begleitenden Assistenzärzten hat er unseren Operationen beigewohnt und taute dann doch langsam auf. Letztendlich haben wir uns doch ganz gut ausgetauscht, auch außerhalb der Spaltchirurgie.

Von ihrer Operationserfahrung her wären beide peruanischen Chirurgen in der Lage, diese spezielle Chirurgie zu übernehmen. Aber es fehlt am Engagement, Kampagnen oder Strukturen zu etablieren, welche eine umfassende möglichst interdisziplinäre Betreuung ermöglichen. Leider ist es auch immer noch so, das peruanische Ärzte für relativ wenig Geld nur vormittags im Hospital arbeiten, sich danach in Privatkliniken ihren Lebensstandard realisieren müssen.

Dr.Basualdo hat im Juli Cajamarca für eine lukrativere Stelle in Lima verlassen.

Besonders erwähnen möchte ich diesmal Carina und Melva. Sie gehören nun schon seit Jahren zum Kampagnenstab um Christa. Es ist beeindruckend mit wie viel Freude, Geduld und Herzblut auch sie dabei sind, organisieren, beschaffen und Probleme lösen.

Unglaublich schnell ist die Woche in Cajamarca vergangen. Nun wartete Huaraz auf uns.

Huaraz

Unser Kommen in Huaraz ist eigentlich noch wichtiger als in Cajamarca. Es gibt keine plastische Chirurgie mehr im Hospital. Und seit unserer letzten Kampagne 2014 gab es keine andere von peruanischen oder ausländischen Teams. Wie Cesar Vivar uns sagte, haben unsere peruanischen Mitstreiter vom Rotary Club diesmal gar keine Informationen über die Medien gegeben. Allein mit anrufenden und nachfragenden Patienteneltern und Mundpropaganda, aber wohl auch schon über social media haben sich mehr Patienten gefunden, als voraussichtlich in den 5 OP- Tagen bewältigt werden konnten.

Der Empfang vor dem Hospital war wieder herzerwärmend. Es ist einfach toll, wenn einem bekannte Gesichter zulächeln. Man spürt die Erleichterung, dass wir wirklich da sind.

Schnell noch zum Direktor, der dann doch wieder keine Zeit für uns hat. Schon merkwürdig. Würden wir in Deutschland ein ausländisches Team erwarten, welches uns bei einem sehr speziellen Patientengut unterstützen möchte, wäre an dem Tag nichts wichtiger als für sie da zu sein.

Aber unsere Gedanken sind eh schon bei der Patientenschau und dem notwendigen, zügigen sich Einrichten. Fairerweise muss man aber sagen, dass uns im Hospital, sowohl im OP, als auch auf Station alles perfekt gebahnt wurde.

Auffällig war, dass das Hospital sichtbar immer maroder wird. Verwerfungen mit z.T. breiten Rissen stimmen bedenklich. Es ist fast zu befürchten, dass erst mit einem Einsturz die Behörden wachgerüttelt werden. Wir wissen, dass seit Jahren Pläne für ein neues Hospital in den Schubladen schmoren. Auch am Geld soll es nicht liegen. In der Ancash-Region fallen mit der Ausbeutung der reichen Gold-, Silber- und Kupferminen reichlich Steuern für die Kommunen an. Wenn man mit Cesar darüber spricht, wird man mit Spanisch überschüttet. Verstehen konnte ich nur Korruption, Politikfilz und Inkompetenz. Aber Deutschland bekleckert sich ja auch nicht mit Ruhm, was große Bauprojekte betrifft.

Während eines Interviews für einen peruanischen TV- Sender habe ich den frisch gewählten Präsidenten gegrüßt und ihn gebeten sich für ein neues Hospital in Huaraz einzusetzen. Ich habe nicht viel Hoffnung, dass es etwas genutzt hat. Aber für das fachlich wirklich gute Personal und die Menschen der Region würden wir es uns sehr wünschen.

Als alleiniger Operateur kam ich mit unserem gefüllten OP- Plan an meine körperlichen Grenzen. Mit Oscar Julcamoro aus Cajamarca habe ich mich schon verständigt. Er wäre bereit uns das nächste Mal auch in Huaraz zu unterstützen.

Eine Begebenheit wäre noch erzählenswert. Während wir operierten, wurde im Nachbarsaal ein Kind mit einer einseitigen kompletten Lippen- Kiefer- Gaumenspalte geboren. Die Eltern haben es vorher nicht gewusst. Sie waren verständlich erregt und voller Sorge. Aber es war doch ein glücklicher Umstand, dass wir vor Ort waren, Antwort auf ihre vielen Fragen hatten, sowie die erste Behandlung, die Anfertigung eine Trinkplatte übernehmen konnten. Bemerkenswert war, dass Eltern unserer Kampagne sich anboten zu helfen und ihre Erfahrungen mitteilten. Überhaupt ist uns dieses Helfen untereinander diesmal viel mehr aufgefallen.

Insgesamt haben wir über einhundert Kinder/ Patienten angesehen, davon in Cajamarca 25 und in Huaraz 24 operiert. Für viele weitere konnten wir andere, im Vordergrund stehende Behandlungen, anschieben. Einige Patienten mussten vom Alter her auf die nächste OP- Kampagne vertröstet werden.

Woran denke ich noch, wenn ich mich an die Reise erinnere?

  • die Hoffnung, dass auch nach unserer Abreise alles weiter gut heilt,
  • an die erfahrene Dankbarkeit,
  • an ein harmonisch zusammenarbeitendes deutsch- peruanisches Team ,
  • an späte Zusammentreffen, um noch gemeinsam etwas zu essen , erschöpft, aber zufrieden mit dem Tag, manchmal auch noch zu einem Gin Tonic oder Cuba Libre auf dem Hoteldach,
  • die Erleichterung, wenn Hartmut nach vielen Stunden mit dem Auto auf peruanischen Pisten wieder angekommen ist
  • an wunderschöne Wanderungen in den Anden an den Sonntagen, endlich Sonne, frische Luft und Vogelgezwitscher zum auftanken


Wie geht es weiter:

Wir sind uns einig, dass wir solange fahren möchten, wie wir die Gewissheit haben gebraucht zu werden, ohne peruanische Entwicklungen zu stören. Wir möchten gern darüber hinaus unterstützen, dass sich Strukturen entwickeln, welche für diese speziellen Patienten mehr anbieten. Das wäre zum Beispiel eine zentrale Informationsstelle, welche notwendige medizinische Behandlungen wie Operationen, zahnärztliche, kieferorthopädische, kinderärztliche Behandlungen vermittelt, aber auch bei sozialen Problemen helfen kann. Dies könnte auch ein Ort für das Zusammentreffen von betroffenen Eltern sein, welche sich dann auch aktiv einbringen können.
Sicher wären Spendengelder auch dafür gut verwendet. Für einen langfristigen Erfolg jedoch, bedarf es der Initiative und Aktivitäten unserer peruanischen Kollegen und der Behörden vor Ort.

Im Namen des ganzen Teams
Dr. Andreas Pöhl